Die Wirkung der Erwartung – Placebo und Placeboeffekt für Gesundheit und Medizin

Wie Placebos wirklich wirken – Erwartung als Wirkstoff mit starken Einfluss

In der Welt der Medizin stößt man immer wieder auf den Begriff „Placebo“. Doch was verbirgt sich hinter diesem Phänomen? Eindeutig ist der Placebo-Effekt nämlich weit mehr als nur ein medizinisches Kuriosum – er hat einen starken Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Dieser Artikel taucht tief in die Wirkungsweise und die Bedeutung von Placebos ein und vermittelt aktuelle Erkenntnisse aus der klinischen Forschung.

Placebos in der Praxis

Placebos spielen in der klinischen Praxis eine zentrale Rolle, insbesondere in der Entwicklung und Bewertung neuer Medikamente. Ihre Verwendung in klinischen Studien hat die medizinische Forschung revolutioniert, gleichzeitig aber auch zu einer zwiespältigen Einstellung gegenüber Placebos geführt. Während sie in wissenschaftlichen Studien unverzichtbar sind, um die Wirksamkeit neuer Therapien zu testen, betrachtet die medizinische Gemeinschaft Placebos oft als ein störendes Element, das kontrolliert und ausgeschlossen werden muss.

Die Rolle von Placebos in klinischen Studien

In klinischen Studien werden Placebos eingesetzt, um die tatsächliche Wirksamkeit eines neuen Medikaments zu beurteilen. Durch den Vergleich der Ergebnisse von Patienten, die das echte Medikament erhalten, mit denen, die ein Placebo bekommen, können Forscher feststellen, ob das neue Medikament über den Placebo-Effekt hinausgehende therapeutische Vorteile bietet.

Ein typisches Studiendesign ist die randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie. In solchen Studien wissen weder die Patienten noch die Forscher, wer das echte Medikament und wer das Placebo erhält. Dieses Design minimiert Bias und gewährleistet, dass die beobachteten Effekte tatsächlich auf das Medikament und nicht auf die Erwartungen der Patienten oder der Forscher zurückzuführen sind.

Placebos als störendes Element

Trotz ihrer Wichtigkeit in der Forschung wird der Placebo-Effekt oft als Störfaktor betrachtet, den es zu kontrollieren und zu minimieren gilt. Dies liegt daran, dass der Placebo-Effekt die Ergebnisse von klinischen Studien verfälschen kann, indem er scheinbare Verbesserungen in der Placebogruppe erzeugt. Dies erschwert es, die tatsächliche Wirksamkeit eines neuen Medikaments zu bestimmen.

Mediziner und Forscher stehen vor der Herausforderung, den Placebo-Effekt zu isolieren, um die wahre Wirksamkeit eines neuen Medikaments zu bewerten. Diese Notwendigkeit hat zu einer gewissen Skepsis gegenüber dem Placebo-Effekt geführt. In der Praxis bedeutet dies, dass der Placebo-Effekt oft als etwas Negatives angesehen wird, das die „wahre“ medizinische Wirkung eines Medikaments verschleiert.

Kritische Betrachtung der medizinischen Einstellung gegenüber Placebos

Die negative Einstellung gegenüber Placebos in der klinischen Praxis resultiert aus mehreren Faktoren. Zum einen besteht die Sorge, dass die beobachteten Effekte eines neuen Medikaments überbewertet werden könnten, wenn der Placebo-Effekt nicht ausreichend kontrolliert wird. Zum anderen gibt es ethische Bedenken hinsichtlich der Täuschung von Patienten, die unwissentlich Placebos erhalten.

Trotz dieser Bedenken zeigen zahlreiche Studien, dass der Placebo-Effekt eine mächtige therapeutische Kraft ist, die genutzt werden kann, um das Wohlbefinden der Patienten zu verbessern. Die Arbeit von Placebo-Forschern wie Prof. Ted Kaptchuk hat gezeigt, dass selbst offene Placebos – bei denen Patienten wissen, dass sie ein Placebo einnehmen – positive Effekte haben können. Dies deutet darauf hin, dass der Placebo-Effekt nicht nur ein störender Faktor, sondern auch ein potenzielles therapeutisches Werkzeug sein kann.

Herausforderungen und Chancen in der Praxis

Die Herausforderung für die medizinischen Disziplinen besteht darin, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, der die Vorteile des Placebo-Effekts nutzt, ohne die wissenschaftliche Integrität und ethische Standards zu gefährden. Ein möglicher Ansatz ist die Integration von Placebo-Mechanismen in die Patientenversorgung, um positive Erwartungen und das therapeutische Setting zu maximieren, während gleichzeitig ehrliche und transparente Kommunikation gewahrt bleibt.

Ein Beispiel für einen solchen Ansatz ist die Verwendung von Placebos in der Schmerztherapie. Studien haben gezeigt, dass der Placebo-Effekt bei der Schmerzlinderung signifikant ist. Wenn Patienten wissen, dass sie ein Placebo erhalten, und trotzdem eine positive Erwartung haben, kann dies die Freisetzung von Endorphinen und anderen schmerzlindernden Substanzen im Gehirn fördern.

Erwartungshaltung und Konditionierung: Schlüssel zum Verständnis des Placeboeffekt

Die Erwartungshaltung und Konditionierung sind zentrale Mechanismen, die den Placebo-Effekt erklären. Sie zeigen, wie mächtig unsere Psyche sein kann, um physiologische Veränderungen im Körper messbar auszulösen. Diese Mechanismen sind nicht nur faszinierende Phänomene der Psychologie und Neurowissenschaften, sondern haben auch praktische Anwendungen in der klinischen Praxis, die unter dem Begriff „sprechende Medizin“ zusammengefasst werden können.

Sprechende Medizin: Die Macht der Worte in der Therapie

„Sprechende Medizin“ beschreibt den Einfluss, den Worte und die Kommunikation zwischen Arzt und Patient auf den Heilungsprozess haben können. Einfühlsame Gespräche und positive Verstärkung durch den Arzt können die Erwartungen des Patienten positiv beeinflussen und somit den Placebo-Effekt verstärken. Diese Form der Medizin betont, dass der Heilungsprozess nicht nur durch physische Eingriffe und Medikamente, sondern auch durch die Interaktion und das Vertrauen zwischen Arzt und Patient beeinflusst wird.

Erwartungshaltung als Wirkverstärker von Medikamenten

Ein besonders spannender Aspekt des Placebo-Effekts ist seine Fähigkeit, die Wirkung von echten Medikamenten zu verstärken. Wenn Patienten glauben, dass ein Medikament wirksam ist, kann dies die tatsächliche Wirksamkeit des Medikaments erhöhen. Dies ermöglicht es, die Dosis zu reduzieren und somit das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren. Diese synergistische Wirkung zwischen Placebo und Medikament kann die therapeutischen Ergebnisse verbessern und die Patientenzufriedenheit erhöhen.

Konditionierung: Lernen durch Erfahrung

Konditionierung spielt eine entscheidende Rolle beim Placebo-Effekt. Durch wiederholte positive Erfahrungen mit einer bestimmten Behandlung oder einem bestimmten Medikament lernt der Körper, auf diese Behandlung zu reagieren, selbst wenn nur ein Placebo verabreicht wird. Dieser Lernprozess kann durch visuelle, sensorische oder geschmackliche Reize unterstützt werden, die mit der echten Behandlung verbunden sind.

Ein bekanntes Beispiel ist die Gabe von Placebos an Patienten, die zuvor erfolgreich mit einem wirksamen Medikament behandelt wurden. Durch die Assoziation zwischen der Einnahme des Medikaments und der Symptomlinderung kann der Körper ähnliche Heilungsreaktionen auf das Placebo zeigen. Diese konditionierte Reaktion kann in verschiedenen therapeutischen Kontexten genutzt werden, um die Behandlungseffekte zu verstärken.

Den Placebo-Effekt trainieren: Aktivierung der inneren Apotheke

Die Vorstellung, den Placebo-Effekt gezielt zu trainieren, eröffnet neue Möglichkeiten in der Therapie. Durch systematisches Training können Patienten lernen, ihre „innere Apotheke“ zu aktivieren. Dies bedeutet, dass sie durch mentale Techniken, wie Visualisierung und positive Erwartung, die Ausschüttung von heilenden Substanzen im Körper fördern können.

Ein Beispiel für solches Training ist die Verwendung von Biofeedback-Methoden, bei denen Patienten lernen, physiologische Prozesse wie Herzfrequenz und Muskelspannung zu kontrollieren. Diese Techniken können genutzt werden, um den Placebo-Effekt zu verstärken und die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren.

Placebos sind mehr als eine normale Pille

In bestimmten Fällen können Placebos tatsächlich die bessere Medizin sein. Dies gilt besonders für Indikationen, bei denen psychosomatische Faktoren eine große Rolle spielen. Hier einige Beispiele, in denen der Placebo-Effekt klinisch belegbar gut wirkt:

Schmerzlinderung: Studien haben gezeigt, dass Placebos effektiv bei der Behandlung von Schmerzen sein können, insbesondere bei chronischen Schmerzen. Die Erwartung einer Schmerzlinderung kann zur Freisetzung von Endorphinen führen, die als natürliche Schmerzmittel wirken und dann weniger Schmerzen machen.

Depression und Angststörungen: Bei leichten bis mittelschweren Depressionen und Angststörungen können Placebos ähnliche Effekte wie Antidepressiva haben, indem sie die Erwartungen und den Glauben an die Heilung stärken.

Reizdarmsyndrom (IBS): Klinische Studien haben gezeigt, dass Patienten mit Reizdarmsyndrom signifikante Verbesserungen ihrer Symptome erfahren können, wenn sie ein Placebo einnehmen, das sie für ein wirksames Medikament halten.

Parkinson-Krankheit: Bei Parkinson-Patienten kann die Erwartung einer Verbesserung durch ein Placebo die Freisetzung von Dopamin im Gehirn stimulieren, was zu einer Linderung der Symptome führen.

Negative Wirkung von Placebos: Der Nocebo-Effekt

Der Nocebo-Effekt ist das Gegenstück zum Placebo-Effekt und zeigt, wie negative Erwartungen und Überzeugungen gesundheitliche Beeinträchtigungen verursachen können. Während der Placebo-Effekt durch positive Erwartungen heilende Wirkungen entfalten kann, bewirkt der Nocebo-Effekt das Gegenteil: Er führt zu negativen gesundheitlichen Reaktionen und kann die Symptome verschlechtern. In diesem Kapitel betrachten wir die Mechanismen, die dem Nocebo-Effekt zugrunde liegen, und untersuchen, wie dieser Effekt in der klinischen Praxis zum Tragen kommt und welche Konsequenzen er hat.

Mechanismen des Nocebo-Effekts

Der Nocebo-Effekt beruht auf ähnlichen psychologischen und physiologischen Mechanismen wie der Placebo-Effekt, jedoch mit entgegengesetztem Vorzeichen. Negative Erwartungen und Überzeugungen lösen Stressreaktionen im Körper aus, die eine Reihe von physiologischen Veränderungen zur Folge haben können.

Erwartung und Konditionierung: Wenn ein Patient davon überzeugt ist, dass eine Behandlung Nebenwirkungen verursachen wird, kann diese Erwartung tatsächlich entsprechende Symptome hervorrufen. Dies geschieht oft durch die Konditionierung: Frühere negative Erfahrungen mit Medikamenten oder Behandlungen verstärken die Erwartung negativer Effekte.

Neurobiologische Mechanismen: Der Nocebo-Effekt aktiviert bestimmte Bereiche im Gehirn, die mit Angst und Schmerzempfindung verbunden sind. Negative Erwartungen können die Produktion von Stresshormonen wie Cortisol erhöhen und die Freisetzung von Neurotransmittern wie Cholecystokinin fördern, die Angst und Schmerzen verstärken.

Physiologische Reaktionen: Die durch den Nocebo-Effekt ausgelösten Stressreaktionen können eine Vielzahl von körperlichen Symptomen verursachen, darunter Kopfschmerzen, Übelkeit, Muskelverspannungen und Schlafstörungen. Diese Symptome sind real und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Nocebo-Effekt in der Praxis

Der Nocebo-Effekt hat in der klinischen Praxis weitreichende Konsequenzen und stellt Ärzte und medizinisches Personal vor besondere Herausforderungen. Negative Erwartungen können durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden:

Aufklärung und Information: Während eine umfassende Aufklärung über mögliche Nebenwirkungen wichtig ist, kann eine zu detaillierte oder alarmierende Darstellung auch den Nocebo-Effekt verstärken. Patienten, die über alle potenziellen Nebenwirkungen informiert werden, entwickeln möglicherweise Ängste und erwarten das Auftreten dieser Symptome.

Erfahrungen und Erzählungen: Berichte von anderen Patienten oder negative Erfahrungen aus der Vergangenheit können die Erwartungshaltung eines Patienten negativ beeinflussen. Dies kann besonders problematisch sein, wenn Patienten Informationen aus unzuverlässigen Quellen oder sozialen Medien beziehen.

Arzt-Patienten-Kommunikation: Die Art und Weise, wie Ärzte mit ihren Patienten kommunizieren, spielt eine entscheidende Rolle. Einfühlsame und beruhigende Gespräche können den Nocebo-Effekt mildern, während ein distanziertes oder unsensibles Verhalten diesen verstärken kann.

Klinische Beispiele und Forschungsergebnisse

Der Nocebo-Effekt ist in vielen medizinischen Bereichen dokumentiert. Hier einige Beispiele, die die Bedeutung dieses Effekts verdeutlichen:

Schmerztherapie: In Studien zur Schmerzbehandlung berichten Patienten oft von stärkeren Schmerzen, wenn sie vor der Behandlung auf mögliche schmerzhafte Nebenwirkungen hingewiesen werden. Dies zeigt, wie stark negative Erwartungen die Schmerzempfindung beeinflussen können.

Medikamentenstudien: In klinischen Studien treten bei Teilnehmern, die ein Placebo erhalten, häufig Nebenwirkungen auf, die denen der tatsächlichen Medikamente ähneln. Diese sogenannten „nocebo-bedingten“ Nebenwirkungen sind das Ergebnis negativer Erwartungen und zeigen, wie mächtig der Nocebo-Effekt sein kann.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Patienten mit negativen Erwartungen bezüglich ihrer Behandlung ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Komplikationen haben. Dies verdeutlicht, dass der Nocebo-Effekt sogar schwerwiegende gesundheitliche Konsequenzen haben kann.

Strategien zur Minderung des Nocebo-Effekts

Angesichts der potenziell negativen Auswirkungen des Nocebo-Effekts ist es wichtig, Strategien zu entwickeln, um diesen zu minimieren. Hier sind einige Ansätze:

Positives Framing: Anstatt sich auf potenzielle Nebenwirkungen zu konzentrieren, sollten Ärzte den Fokus auf die positiven Aspekte und die Wirksamkeit der Behandlung legen. Eine ausgewogene und optimistische Darstellung kann die Erwartungshaltung der Patienten positiv beeinflussen.

Vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung: Eine vertrauensvolle und einfühlsame Kommunikation zwischen Arzt und Patient kann Ängste reduzieren und den Nocebo-Effekt abschwächen. Ärzte sollten offen für die Sorgen und Ängste der Patienten sein und diese ernst nehmen.

Aufklärung und Selbstmanagement: Patienten sollten ermutigt werden, sich aktiv an ihrer Behandlung zu beteiligen und Techniken zum Stressabbau und zur Entspannung zu erlernen. Dies kann dazu beitragen, negative Erwartungen zu verringern und den Nocebo-Effekt zu mindern.

Placebos in der modernen klinischen Forschung

Der Placebo-Effekt ist ein faszinierendes Forschungsgebiet, das von führenden Wissenschaftlern wie zum Beispiel Ulrike Bingel, Manfred Schedlowski und Ted Kaptchuk vorangetrieben wird. Jeder von ihnen hat bedeutende Erkenntnisse geliefert, die unser Verständnis darüber, wie Placebos wirken und wie sie in der medizinischen Praxis genutzt werden können, erweitert haben.

Positive Wirkung von Placebo bei Schmerz

Prof. Ulrike Bingel ist eine herausragende Neurologin, deren Forschung sich auf die neurobiologischen Grundlagen des Placebo-Effekts konzentriert. Mithilfe von bildgebenden Verfahren wie der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) hat Prof. Bingel gezeigt, dass Placebos ähnliche Gehirnregionen aktivieren können wie echte Medikamente. Ihre Arbeiten verdeutlichen, wie stark die Erwartungshaltung des Patienten die Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung beeinflussen kann. Diese Erkenntnisse haben wichtige Implikationen für die Schmerztherapie und das Verständnis der neuronalen Mechanismen hinter dem Placebo-Effekt.

Placebo als echtes Medikament für das Immunsystem

Prof. Manfred Schedlowski ist ein Pionier in der Psychoneuroimmunologie und hat wegweisende Studien zur Immunmodulation durch Placebos durchgeführt. Seine Forschung zeigt, dass das Immunsystem durch konditionierte Reize beeinflusst werden kann, indem zunächst ein echtes Medikament und später ein Placebo verabreicht wird. Diese Studien haben gezeigt, dass allein die Erwartung einer therapeutischen Wirkung die physiologischen Reaktionen des Körpers beeinflussen kann, was neue Wege für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen und anderen immunologischen Störungen eröffnen könnte.

Placebo als „offener“ Wirkstoff

Prof. Ted Kaptchuk hat sich intensiv mit den klinischen Anwendungen von Placebos beschäftigt und dabei auch ethische Fragen in den Fokus gerückt. Seine Arbeiten zur Offenlegung von Placebos (Open-Label Placebos) haben gezeigt, dass auch Patienten, die wissen, dass sie ein Placebo erhalten, signifikante Verbesserungen ihrer Symptome erfahren können. Diese Forschung hat wichtige Implikationen für die Kommunikation zwischen Arzt und Patient sowie für die Gestaltung von Therapien, bei denen die Erwartungshaltung des Patienten eine zentrale Rolle spielt. Prof. Kaptchuks Ansätze könnten dazu beitragen, die Wirksamkeit arzneimittelbasierter Behandlungen zu optimieren und gleichzeitig die Nebenwirkungen zu minimieren.

Kritik und Kontroversen: Grenzen des Placebo-Effekts

Das Thema Placebos und der Placebo-Effekt sind nicht ohne Kritik und Kontroversen. Obwohl Placebos in der Medizin eine wichtige Rolle spielen können, gibt es verschiedene ethische, praktische und wissenschaftliche Bedenken, die diskutiert werden müssen.

Ethische Bedenken

Die Verwendung von Placebos in klinischen Studien und in der ärztlichen Praxis wirft ethische Fragen auf. Ein zentraler Punkt ist die Täuschung von Patienten, die nicht immer über die tatsächliche Natur der verabreichten Substanz informiert werden. Dies kann den Grundsatz der informierten Einwilligung verletzen, der besagt, dass Patienten das Recht haben sollten, vollständig informiert zu werden und zu verstehen, welche Behandlungen sie erhalten. Offene Placebos, bei denen Patienten wissen, dass sie ein Placebo erhalten, bieten eine Möglichkeit zur Umgehung dieser ethischen Bedenken, haben jedoch auch ihre eigenen Herausforderungen und könnten den Placebo-Effekt selbst beeinflussen.

Methodische Herausforderungen

Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die methodischen Herausforderungen bei der Untersuchung des Placebo-Effekts. Es ist schwierig, Placebos in randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) effektiv zu kontrollieren, insbesondere wenn Patienten und Ärzte aufgrund von subtilen Hinweisen die Zuordnung zur Placebo-Gruppe erraten können. Dies könnte die Validität der Studienergebnisse beeinträchtigen und es schwierig machen, klare Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit einer Behandlung zu ziehen.

Potenzielle Untergrabung der Evidenzbasierten Medizin (EBM)

Ein weiteres Argument gegen den Einsatz von Placebos ist die Sorge, dass sie die evidenzbasierte Medizin (EBM) untergraben könnten. Placebos könnten als weniger wirksame Alternative zu evidenzbasierten Behandlungen angesehen werden und Patienten davon abhalten, sich für bewährte, wirksame Therapien zu entscheiden. Dies könnte insbesondere bei schweren Erkrankungen oder dringend erforderlichen medizinischen Interventionen problematisch sein.

Kontroverse um die Verwendung von Placebos in der ärztlichen Praxis

Die Verwendung von Placebos in der klinischen Praxis ist ein weiterer umstrittener Punkt. Während einige Studien gezeigt haben, dass Placebos eine signifikante therapeutische Wirkung haben können, gibt es Bedenken hinsichtlich ihrer Anwendung in der ärztlichen Praxis. Ärzte könnten sich gezwungen sehen, Placebos zu verschreiben, um die Erwartungshaltung der Patienten zu erfüllen oder eine „Nocebo“-Reaktion zu vermeiden, wenn Patienten keine sofortige Behandlungsoption haben. Dies könnte jedoch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient untergraben und außerdem dazu führen, dass Patienten denken, sie würden nicht angemessen behandelt.

Diskussion um Kosten und Ressourcen

Ein weiterer Aspekt der Kritik betrifft die potenziellen Kosten und Ressourcen, die mit der Verwendung von Placebos verbunden sind. Obwohl Placebos selbst kostengünstig sind, könnten zusätzliche Ressourcen erforderlich sein, um ihre Wirksamkeit und Sicherheit zu überwachen und die Auswirkungen auf Patienten zu bewerten. Dies könnte finanzielle und personelle Ressourcen beanspruchen, die möglicherweise anderswo besser eingesetzt werden könnten.

Zusammenfassung: Die Bedeutung von Placebos für Gesundheit und Medizin

Der Placebo-Effekt ist ein faszinierendes Phänomen, das weitreichende Auswirkungen auf die medizinische Praxis und Forschung hat. Basierend auf den Erkenntnissen aktueller Placebo-Forschung lassen sich mehrere zentrale Kernaussagen und Perspektiven ableiten:

Der Einfluss der Erwartungshaltung: Placebos zeigen deutlich, dass die Erwartungen und Überzeugungen eines Patienten einen signifikanten Einfluss auf die Wahrnehmung von Symptomen und den Erfolg einer Behandlung haben können. Dies unterstreicht die Bedeutung der psychologischen Komponente in der Medizin.

Physiologische Mechanismen: Neuere Forschungen haben gezeigt, dass Placebos nicht nur auf psychologischer Ebene wirken, sondern auch physiologische Veränderungen im Körper auslösen können. Dies umfasst die Aktivierung von Gehirnregionen, die Schmerzlinderung und sogar die Modulation des Immunsystems.

Ethik und Praxis: Die Verwendung von Placebos wirft ethische Fragen auf, insbesondere hinsichtlich der Informationspflicht gegenüber den Patienten und der potenziellen Untergrabung der evidenzbasierten Medizin. Offene Placebos könnten hier einen Mittelweg bieten, um die ethischen Bedenken zu mildern und gleichzeitig von den positiven Effekten des Placebo-Effekts zu profitieren.

Zukünftige Perspektiven: Die Erforschung des Placebo-Effekts bietet spannende Möglichkeiten für die Zukunft der Medizin. Hier sind einige perspektivische Bedeutungen, die Placebos erhalten könnten:

  • Erweiterte Therapieoptionen: Durch eine bessere Nutzung und Verständnis des Placebo-Effekts könnten neue therapeutische Ansätze entwickelt werden, die die Wirksamkeit von Behandlungen verbessern und die Belastung durch Nebenwirkungen reduzieren.
  • Individuelle Behandlungsstrategien: Die Personalisierung von Behandlungen könnte durch die Berücksichtigung der Erwartungshaltung und der Reaktion auf Placebos optimiert werden, um die besten Ergebnisse für jeden Patienten zu erzielen.
  • Integration in die klinische Praxis: Offene Diskussionen über die Nutzung von Placebos könnten zu klaren Richtlinien führen, die Ärzten helfen, den Placebo-Effekt ethisch und effektiv zu nutzen, insbesondere in Bereichen, wo herkömmliche Behandlungen begrenzt sind.

Insgesamt bietet die Forschung zum Placebo-Effekt eine reiche Grundlage für zukünftige Untersuchungen und Anwendungen in der Medizin. Die Herausforderungen in Bezug auf Ethik, Methodik und Praxis müssen allerdings sehr sorgfältig angegangen werden, aber die Potenziale, die Placebos bieten, sind beträchtlich und könnten zu neuen Fortschritten führen, die das Gesundheitswesen nachhaltig verbessern.

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Dr. Stephan Barth
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